Ein Beitrag zur Genealogie der Familie Baldems in Sayn (2017) Gastbeitrag von Bernd Meuer

Genealogie kann neue Perspektiven eröffnen. Auf einer unserer Reisen kamen Erinnerungen an einen Missionar auf, der im 19. Jahrhundert auf einer Isolierstation für Leprakranke wirkte, sich infizierte und schließlich an Lepra starb. Die Katholische Kirche hat ihn in jüngerer Zeit heiliggesprochen.

Das führte zu einem geistigen Ausflug in meine Schulzeit:

Tilemann Baldems, Sayner Pfarrer von 1664-1666, der dort mit den Pestkranken lebte, sich infizierte und letztendlich als letzter der 100 (von ca. 300 Seelen) Sayner Pesttoten gilt. Diesem besonderen Menschen galt mein Interesse und es kamen Dinge ans Tageslicht, die auch dem in der Ortshistorie sehr bewanderten Dietrich Schabow noch nicht bekannt waren. Die hartnäckige Suche hatte letztendlich Erfolg.

Auszug aus dem Taufbuch von Sayn. 5. August 1666

Man wusste, dass die Baldems-Familie in Sayn beheimatet war, aber nicht viel mehr – und zunächst konnte ich auch nur einen Taufeintrag finden. Der 2. August 1639! Pastor primarius von Sayn war der jeweilige Abt der Prämonstratenser-Abtei Sayn, der den Pfarrer aus den Reihen des Conventsmitglieder bestimmte. So auch Tilemann Baldems, 1664-1666.

Ich fand den Sterbeeintrag mit dem Nachweis des Pesttods des Tilemann Baldems am 5. August 1666, interessanterweise im Sayner Taufbuch. Bedenkt man, dass gut ein Drittel der Sayner Bevölkerung dem schwarzen Tod zum Opfer fiel, kann man das ob der chaotischen Zustände wohl verstehen. Tilemann Baldems wurde nur 27 Jahre alt.

Grabplatte Baldems am Kreuzgang der Abtei Sayn

Persönliches Detail: Mein Vorfahr Jakob Rorich Meurer wurde am 6. 3. 1666 in Sayn getauft und da Johann Baldems der Ältere 1610 Taufpate meines Vorfahren Hans Bernd Meurer gewesen ist, kann man von vertrautem Umgang der beiden Familien in dem kleinen Dorf ausgehen und mein Vorfahr ist 1666 dem Pesttod entgangen!

Tilemann Baldems wünschte sich ein mahnenden Kreuz über dem Sammelgrab der Pesttoten, aber den dankbaren Überlebenden erschien das zu gering und man baute dort eine den Pest-Heiligen Sebastian und Rochus gewidmete Kapelle, in der noch immer Gottesdienst stattfindet. Auf dem Begräbnisort gleich daneben steht ein großes Missionskreuz von 1783. In der Kapelle wurde Anfang des 20. Jahrhunderts eine schlichte Gedenktafel angebracht. Diesen selbstlosen Menschen quasi aus unserer Mitte besonders zu ehren ist noch immer mein großes Anliegen.

Pfarrer Tilemann Baldems war wohl Zweitgeborener des Jan Baldems dem Jüngeren (Die Daten beider sind auf einer Grabplatte am Kreuzgang der Abtei Sayn abzulesen).

Meine Recherchen haben dann ergeben, dass Jan Baldems der Ältere 1601 aus Raeren im heutigen Belgien eingewandert war, wie viele der Raerener Meister in dieser Zeit in den Westerwald kamen. Die Mennicken/Menningen, Corzilius, Schwaderlapp und andere kamen, wohl angeworben durch die Saynischen und Wiedischen Landesherren – und sie brachten neues Wissen mit: Raerener Herrenware! Vor der Erfindung des europäischen Porzellan DAS Tischgeschirr der Oberklasse, während die „eingeborenen“ Töpfer bis dahin nur die einfachen Dinge des täglichen Bedarfs herstellten. Diese Familien waren wohl wegen der Konfessionsprobleme (die Provinz Limburg war Spanisch und damit streng katholisch, die angrenzenden Niederlande aber streng calvinistisch-protestantisch) zum Verlassen der Heimat veranlasst worden. Das „Raerener Herrenwerk“ von damals hat auch heute noch einen hervorragenden Ruf. So stehen Exponate in den besten Museen in Europa, angefangen vom British Museum in London über den Louvre in Paris und das Rijksmuseum in Amsterdam.

Doch die bei der Recherche zutage gekommenen neuen Informationen sind so wichtig, dass sie vielleicht wissenschaftlich aufgearbeitet werden müssten.
Es gab dann noch weitere Baldems-Generationen in Sayn.

Madonna (1737) von Jakob Wingender

Die Tochter Maria Magdalena eines späteren Baldems, Servatius, heiratete 1735 den Töpfer Jakob Wingender. Wingender schuf 1737 eine grandiose Madonna, ca. 150 cm hoch, aus salzglasiertem Steinzeug, die man vor ein paar Jahren von hoch oben aus der Abtei-Fassade geborgen und fachmännisch gereinigt hatte. Geschwärzt von Jahrhunderten hielt man diese Skulptur zuvor für ein gusseisernes Produkt aus der Sayner Hütte.

Dass Wingender in Sayn lebte und arbeitete, kann man annehmen. Aber schon 1740 wurde aber seine Heirat mit Helena Remy in den Kirchenbüchern von Höhr dokumentiert. Er hatte wohl als Witwer erneut geheiratet.
Weitere Baldems sind im Taufbuch von Sayn nachweisbar.

Es wäre denkbar, dass sich Baldems-Nachkommen finden, denen Teile meiner Informationen unbekannt sind, die mir aber auch ihre zugänglich machen möchten.

7 Kommentare

  1. Lieber Bernd, ich bedanke mich sehr für Deinen Beitrag und hoffe, dass er Anderen hilft und Andere Dir vielleicht auch Informationen zukommen lassen, die in Deine Forschung einfließen. Bis zum nächsten Artikel…

  2. Neue Erkenntnisse: Jakob Wingender und seine Ehefrau Maria Magdalena geb. Baldems haben noch in den 1750er Jahren lt. Taufregister ein Kind taufen lassen – Man kann also davon ausgehen, dass diese 1740 in Höhr eingetragene Heirat nicht zutrifft.

    • Beste Hehr Meuer,
      Ich sah Ihre Post über Jacob Wingender und Maria Magdalena Baldems.
      Jakob heiratete später mit Helena Remy
      Vielleicht können Sie mir helfen. Ich vermute , dass Jacob und Remy einen Sohn Peter hatten geb ca 1749.in Höhr.
      Ich suche schon Jahren für das geburts Datum dieses Peter. Peter heiratete im Jahr 1769 in Hohr mit Apollonia Klauer.
      Hoffe , dass Sie vielleicht mehr wissen.

      Entschüldigung für mein es slechtes Deutsch
      Karst Schneider (Amsterdam Holland)

  3. Daniel, es gibt aufregende Neuigkeiten: Die Baldems sind aus Raeren eingewandert, möglicherweise auf Anwerbung. Was die Heimat – Historiker nicht (mehr) wussten: in Sayn standen ab der Einwanderung 4 Kannenöfen zum Brand salzglasierten Steinzeugs – das kleine Dorf war von ca. 1610 bis 1760 ein Kannenbäcker-Dorf mit den integrierten Baldems. Dann würde die Sayner Hütte gegründet und die Tagelöhner, die je nach Arbeitsanfall für die Töpfer-Betriebe arbeiteten, fanden in der Hütte regelmäßige Einkünfte – die Kannenbäckerei wanderte wohl ab. Strukturwandel auch damals. Aber die Recherchen sind noch nicht abgeschlossen – da fehlen noch Fakten, wie zum Beispiel, ob die Raerener Meistertöpfer neben der normalen Haushaltsware auch Steinzeug in der hochwertigen Raerener Tradition gefertigt haben, man müsste Abfall-Scherben von einem der Kannenöfen ansehen können. Weiterhin stellte sich heraus, dass da auch noch familiäre Verbindungen mit der Familie meiner Frau waren. Unfassbar spannend. Wenn ich belastbare endgültige Infos habe, melde ich mich.

  4. Ob SCHWADERLAPP Töpfer war u. mit anderen Töpfermeistern aus Raeren in das spätere Kannenbäckerland gekommen ist,dafür habe ich bisher noch keine eindeutige Quelle gefunden.

    Aber zu den BALDEMS:
    Sie sind Nachkommen und dann ein Zweig aus der Mennicken- Famile des Jan MENNEKEN (1517 + vor 1554). Einer von seinen 6 (oder 7) Söhnen war Baldem MENNEKEN, dieser hatte 10 Kinder. Ein Sohn von ihm wird später, genannt als Jan BALDEMS eine Familie gründen.

    Dessen Sohn wiederum ist dann

    Jan Baldem (MENNEKEN) (*1583+ Okt.1637) war „… wahrscheinlich Gerichtsschöffe in Sayn“. Er war in I. oo mit Elsgen M.v. RATTENHAUS u. in II oo mit Merien EMONTS verheiratet [ im Text oben wohl als „der Ältere“ bez.]
    Sein Sohn (aus I oo) Jan BALDEMS (gen. 1612) war „… möglicherweise auch Gerichtsschöffe in Sayn “ (*1583 + Okt. 1637)
    Nachzulesen in: Michael Kohnemann „Raerens Töpferfamilen Mennicken“ Raeren 1992: auf S. 45 u. 88 ).
    Der Pfarrer Tilemann Baldems war dann möglw. sein Sohn und Jan BALDEMS war Gerichtsschöffe in Sayn .

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